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- Newsletter Dezember/Jänner 2023/2024 | Nr. 223
- Editorial: Klimaschutz - wer schnell agiert, hilft doppelt
Editorial: Klimaschutz - wer schnell agiert, hilft doppelt
Bei der Erstellung der Strategie handelt es sich zweifellos um ein herausforderndes Vorhaben, welches einer laufenden Fortschreibung und eines breiten Austausches bedarf. Im Rahmen einer Klimaenquete wurde am 24. Oktober 2023 der Strategieentwurf einer geladenen Öffentlichkeit vorgestellt. Der allgemeinen Öffentlichkeit wurden die Inhalte in Form einer Presseaussendung mitgeteilt (2). Erfahrungsgemäß wäre die frühzeitige, breite Einbeziehung in den laufenden Strategieprozess im Sinne eines „public engagement“, gerade bei diesem Thema, von großem Nutzen. Dies würde dazu führen, dass wesentlich mehr heimische Umsetzungsbeispiele (z.B. aktuell das Klimaticket Tirol für alle Beschäftigte der Tirol Kliniken) in dem Strategiepapier aufgeführt werden könnten. Heimische Umsetzungsbeispiele sind von hoher Motivationskraft und Nachahmer können auf kurzem Weg übertragbare Erfahrungswerte abfragen, welche im selben gesellschaftlichen wie gesetzlichen Umfeld erprobt wurden.
Klimaanpassungsmaßnahmen
Beim vorliegenden Entwurf liegt der Fokus auf Klimaneutralität bis 2040. In diesem Zeithorizont werden auch im Gesundheitswesen Klimaanpassungsmaßnahmen erforderlich werden. Nach allgemeiner Auffassung werden der rasche Klimawandel und zunehmende Wetterextreme zum Anstieg der Morbidität beitragen. Es werden also Maßnahmen erforderlich, um unter erschwerten Umweltbedingungen – im „Klimastress“ – das Funktionieren der Gesundheitseinrichtungen zu gewährleisten. Dies im Rahmen einer Klimastrategie für das Gesundheitswesen mitzudenken, wäre zweckmäßig. Denn es wird wohl notwendig werden, manche Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen abzugleichen, um auch dem Klimawandel Rechnung zu tragen (z.B. Planung von Kapazitäten für neue saisonale Bedarfsspitzen, Raumklimatisierung, Grünraumgestaltung). Mit begrenzten Mitteln möglichst rasch eine Reduktion der Klimabelastung zu erreichen, ist prioritär. Die Maßnahmenempfehlungen sind in einem andauernden Strategieprozess nach Klimaeffektivität und rascher Umsetzbarkeit zu priorisieren und unmittelbar in die Umsetzung zu bringen.
Thermische Sanierung, Inhalationsanästhetika nur mit Aktivkohlefilter, …
Eine BMK-Förderschiene, u.a. für die thermische Sanierung von Spitälern, ist bereits bereitgestellt. Zweifellos ein notwendiger Schritt, aber kostspielig und erst mittelfristig wirksam. Im Gesundheitswesen sind die Energieeffizienz oder die thermische Sanierung nicht mehr die „größten Brocken“, da der Optimierungsprozess in diesen Themenfeldern längst im Gange ist, nicht zuletzt, um die Betriebskosten kalkulierbar zu halten. Die größten klimaschädlichen Einzelposten im Gesundheitswesen sind Arzneimittel und Medizinprodukte, und hier (wohl derzeit noch) die Inhalationsanästhetika. Von der EU wurde eine weitgehende Beschränkung des Klimakillers Desfluran bereits auf den Weg gebracht (3). Der Änderungsentwurf der Verordnung über fluorierte Gase sieht vor, dass Desfluran (atmosphärische Lebensdauer 14 Jahre, GWP 20 ist 6810) ab dem 1. Januar 2026 nur mehr eingesetzt werden darf, wenn aus medizinischen Gründen ein anderes Narkosemittel nicht verwendet werden kann oder wenn sichergestellt ist, dass es in Verbindung mit einem Abscheidungssystem verwendet wird. Da auch die anderen F(C)KW-Anästhesiegase kaum im Körper metabolisiert werden, also großteils rasch wieder ausgeatmet werden, das Klima nachhaltig belasten und die Ozonschicht schädigen, ist der Einsatz von Aktivkohlefiltern für die Reinigung der Ausatemluft alternativlos und unverzüglich österreichweit umzusetzen. Ein weiterer positiver Umwelteffekt lässt sich durch das Recycling der im Aktivkohlefilter gebundenen Wirkstoffe erzielen. Berichtet wird von Recyclingquoten von 25% (Desfluran (6)) bis 80% (5).
Praxisbeispiel LKH Feldkirch
Auf Initiative einer Anästhesiepflegerin wurde am LKH Feldkirch ab 2021 der Verzicht auf Desfluran und die Implementierung von Anästhesiegas-Abscheidungssystemen umgesetzt. Im Jahresbericht der Anästhesie am Landeskrankenhaus wird aufgezeigt, dass damit der Atmosphäre 2022 eine Klimabelastung von 160 Tonnen CO2 erspart werden konnte, was einer Fahrtstrecke von 800.000 km mit einem Mittelklasse-Diesel-PKW entspricht. Zudem ermöglichen die neuen Filtersysteme an allen Narkosearbeitsplätzen die Abschaltung der mit Druckluft betriebenen Anästhesiegasfortleitungssysteme (AGFS). Es werden im Monat 20.000 kWh Strom eingespart (4). Wenn laut Strategieentwurf den an Krankenanstalten eingesetzten Arzneimitteln eine CO2-Emission von 413.000 Tonnen zuzurechnen ist, so kann davon ausgegangen werden, dass derzeit in Österreich ca. 5% davon allein den Anästhesiegasen anzulasten ist. Es zeigt sich an diesem Beispiel: eine Priorisierung der im Entwurf der Klimastrategie angeführten Maßnahmen ist dringend geboten: Jene Maßnahmen, welche mit vergleichsweise geringen Investitionskosten und in kurzer Zeit hohen Nutzen für das Klima bringen, bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des hohen medizinischen Versorgungsstandards, sind vorzuziehen. Die Sanierung aller sanierungsbedürftigen Gebäudehüllen ist nötig, gehört aber nicht zu den kurzfristig kostengünstig umsetzbaren Maßnahmen.
Mag. Josef Ascher, Ökologe (Tirol)
Referenzen
(1) Health Care´s Climate Footprint (2019): HealthCaresClimateFootprint_findings.pdf (noharm-global.org)
(2) BMSGPK), 24.10.2023 (ots.at): Klimastrategie als Fahrplan für klimaneutrales Gesundheitswesen vorgestellt
(3) Verordnung über fluorierte Gase (2023): https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/A-9-2023-0048-AM-156-156_DE.pdf
(4) Jahresbericht 2022 Abt für Anästhesie und Intensivmedizin: https://www.landeskrankenhaus.at/media/6147/download/Jahresbericht%202022%20Abteilung%20An%C3%A4sthesie%20und%20Intensivmedizin%20LKHF.pdf?v=1
(5) Bertsch, S. (2022): Die klimafreundliche NarCO2se, https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/a-1925-3979
(6) ÖGARI (2023): Recycling volatiler Anästhetika, https://www.oegari.at/web_files/cms_daten/oegari-infokompakt-narkosegasrecycling_schindler_final.pdf