Zu einer sektorenübergreifenden Versorgung empfiehlt der SVR insbesondere eine sektorenübergreifende Angebotskapazitätsplanung und Vergütung, um die immer noch viel zu hohe Mauer zwischen den Sektoren zu öffnen. Nachfrageseitig wurden verschiedene Instrumente zur Steuerung der PatientInnen untersucht. Einerseits können Gesundheitsinformationen das patientenseitige Orientierungswissen und Selbstbeteiligungen die Selbststeuerung der PatientInnen im Versorgungssystem erhöhen. Andererseits können Leistungserbringer wie der/die primärversorgende Hausarzt/ärztin im Rahmen eines freiwilligen Gatekeepingsystems eine koordinierende Lotsenfunktion durch die verschiedenen Versorgungsstufen des Gesundheitssystems übernehmen.
Wie eine bedarfsgerechte Steuerung in der Versorgung konkret aussehen könnte, wird anhand verschiedener Versorgungsbereiche spezifiziert. Das vorgeschlagene Konzept zur zukünftigen Ausgestaltung der Notfallversorgung sieht gemeinsame ambulant-stationäre Behandlungsstrukturen vor, die den Weg der PatientInnen zu dem für sie richtigen Behandlungsangebot erleichtern. Die Empfehlungen zur Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen fordern einen Ausbau ambulanter und teilstationärer Angebote, um lange Wartezeiten im ambulanten Bereich und infolgedessen stationäre Aufnahmen zu reduzieren. Zudem soll eine stärkere Koordination der Versorgung den Übergang dieser PatientInnen zwischen verschiedenen Versorgungssettings erleichtern. Die Versorgung von PatientInnen mit Rückenschmerzen soll u. a. durch Patienteninformation über den oft begrenzten Nutzen von Bildgebung, die Bedeutung von Bewegung und Physiotherapie sowie durch obligatorische Zweitmeinungsverfahren vor Eingriffen an der Wirbelsäule verbessert werden.
Insgesamt zeigen die Analysen des SVR die Notwendigkeit einer besseren (Selbst-)Steuerung, wobei Steuerungsdefizite nicht notwendigerweise durch mehr, sondern durch gezieltere Steuerung ausgeglichen werden sollten. Die im Gutachten empfohlenen Steuerungsmaßnahmen und Reformvorschläge können so zu effizienten und bedarfsgerechten Versorgungswegen über Sektorengrenzen hinweg beitragen. Die hier skizzierten sowie weitere Empfehlungen und die ihnen zugrundeliegenden Analysen sind im aktuellen Gutachten des Sachverständigenrates nachlesbar: www.svr-gesundheit.de.
Dr. Philip Wahlster, wissenschaftlicher Referent in der Geschäftsstelle des SVR
Ein vom LBI-HTA kürzlich veröffentlichter Bericht eruierte deshalb zunächst das (potentielle) Indikationsspektrum der CIRT: Es basiert auf 56 publizierten und 65 laufenden Studien. Die Ergebnisse legen nahe, dass CIRT bislang vor allem bei Tumoren im Hirn- und Schädelbasisbereich, Prostata, Lunge, im HNO Bereich, bei gynäkologischen und gastrointestinalen Tumoren durchgeführt wurde bzw. derzeit durchgeführt wird. Des Weiteren wurde eine systematische Übersichtsarbeit zu Wirksamkeit und Sicherheit der CIRT (im Vergleich zur herkömmlichen Photonentherapie) bei 12 onkologischen Indikationen (Körperregionen) und 54 Sub-Indikationen durchgeführt: Es wurden insgesamt 27 Studien identifiziert, die den strengeren Einschlusskriterien für die Evidenzsynthese entsprachen (1 RCT zu Sicherheit & 26 prospektiven Beobachtungsstudien). Das Ergebnis besagt: Derzeit gibt es keine Evidenz zu 41 (von 54) Sub-Indikationen, sowie unzureichende Evidenz zu 13 (von 54) Sub-Indikationen in 7 Körper-Regionen.
In Anbetracht der Evidenzlage sind daher keine Aussagen zur Überlegenheit/ Unterlegenheit von CIRT im Vergleich zur herkömmlichen Photonentherapie – auf Basis der gewählten Wirksamkeits-, und Sicherheitsendpunkte – möglich. Es gibt derzeit kein abgesichertes Wissen darüber, ob die vielversprechenden theoretischen Vorteile der CIRT auch tatsächlich mit patientenrelevanten Vorteilen (längeres Überleben, verbesserte Lebensqualität, geringere Nebenwirkungen) einhergehen. CIRT ist deshalb derzeit als experimentelle Therapie anzusehen.
In Belgien soll ein ähnliches Hadronentherapie-Behandlungszentrum ab 2019 in Betrieb gehen. Im Sinne länderübergreifender Zusammenarbeit bei HTA unterstützt die vorliegende Arbeit des LBI-HTA auch die belgische Krankenversicherung (INAMI / RIZIV). GG
LBI-HTA/ AT 2018: Kohlenstoffionentherapie: Eine systematische Übersichtsarbeit zu Wirksamkeit und Sicherheit bei 12 onkologischen Indikationen. https://eprints.aihta.at/1174/
Zum NanoKnife® (auch Irreversible Elektroporation (IRE)) gab es lediglich eine prospektive Beobachtungsstudie mit über 50 Patienten; RCTs waren keine vorhanden. Zu SBRT konnten 25 prospektive Fallserien (30 Publikationen) identifiziert werden, jedoch keine RCTs. Zu Protonentherapie konnten zwar 5 RCTs und 12 prospektive nicht-kontrollierte Studien identifiziert werden, die RCTs verglichen aber unterschiedliche PT-Dosierungen/ Fraktionierungen und nicht mit herkömmlicher Photonentherapie. Zu IRE sowie SBRT konnten aufgrund fehlender vergleichender Studien keine Aussagen zur Wirksamkeit (Überleben und Lebensqualität) getroffen werden. Die RCTs zur PT zeigten keine Unterschiede beim Überleben, zu anderen Endpunkten (biochemisch rezidivfreies Überleben, Lebensqualität) waren die Ergebnisse inkonsistent. Zur Bewertung der Sicherheit wurden auch prospektive Beobachtungsstudien herangezogen. Nur eine Beobachtungsstudie berichtete Ergebnisse zur (Akut-) Toxizität von IRE: Grad 1 urogenitale (GU) Akuttoxizität trat bei 24 % bzw. Grad 2 bei 11 % der Patienten auf. Sowohl bei einer Behandlung mit PT als auch bei einer Behandlung mit SBRT trat urogenitale (GU) Akuttoxizität Grad 1 bei fast der Hälfte der Patienten auf und über ein Drittel der Patienten hatten gastrointestinale (GI) Akuttoxizität Grad 1. GU Akuttoxizität Grad 2 trat bei bis zu einem Viertel der Patienten mit PT auf und bei ca. 18 % der SBRT-Patienten. Spättoxizität ist generell seltener und wurde auch seltener berichtet als Akuttoxizität, außer gastrointestinale (GI) Toxizität bei PT, die in der Spätphase teilweise sogar häufiger vorkommt.
Es existiert derzeit unzureichend Evidenz dafür, dass IRE, SBRT und PT weder hinsichtlich Überleben sowie Lebensqualität, noch hinsichtlich Vermeidung von radikal invasiven Verfahren wie z. B. Prostatektomien, zu verbesserten Outcomes führen. Ergebnisse aus vergleichenden Studien von hoher Qualität sind notwendig, liegen aber nicht vor. Derzeit laufen einige Studien: Insgesamt konnten 39 laufende Studien identifiziert werden. Es befinden sich darunter aber wenig hochwertige Vergleiche (RCT) mit herkömmlichen Interventionen. CW
LBI-HTA/ AT 2018: Stereotaktische Strahlentherapie, Protonentherapie und Irreversible Elektroporation zur Behandlung des lokalisierten Prostatakarzinoms. https://eprints.aihta.at/1165/
Bei der Anwendung einer externe Trigeminus-Nervenstimulation (e-TNS, Cefaly®) wird der obere Nervenast (N. supraorbitalis) des Trigeminusnervs stimuliert, um die Häufigkeit und Dauer von Migräneattacken zu reduzieren. Die selbstklebende e-TNS-Elektrode wird stirnseitig auf den N. supraorbitalis gegeben. Der batteriebetriebene, elektrische Impulsgenerator wird magnetisch mit der Elektrode verbunden und leitet von dort elektrische Mikroimpulse ab. Das e-TNS-Gerät kann sowohl zur Vorbeugung einer Migräneattacke, durch tägliche 20-minütige Sitzungen, als auch als akute Behandlungsmethode während einer Migräneattacke, für jeweils 60 oder 120 Minuten, verwendet werden.
Ziel einer systematischen Übersichtsarbeit des LBI-HTA war es, zu untersuchen, ob das Cefaly®-Gerät als präventive oder akute Therapie für EM und CM wirksamer und sicherer – hinsichtlich der Verbesserung von Migränepisoden, der Lebensqualität, der Zufriedenheit und der Nebenwirkungen – verglichen zu einer medikamentösen Standardtherapie oder einer Placebo-Therapie, ist. Zur Beurteilung der klinischen Wirksamkeit erfüllten zwei Studien die Einschlusskriterien. Ein RCT für die präventive Verwendung von e-TNS (34 PatientInnen mit e-TNS behandelt) und ein RCT für die Akutbehandlung mit e-TNS (52 erhielten Patientinnen mit e-TNS). In beiden Studien wurde das e-TNS-Gerät mit einem Placebo-Gerät verglichen. Bezüglich der Präventionsbehandlung mit e-TNS zeigten die Ergebnisse, dass die Behandlung bei EM-Patientinnen wirksamer ist als die Placebo-Behandlung, insbesondere durch die Reduktion der akuten Anti-Migräne-Medikamenteneinnahme. Hinsichtlich der Akutbehandlung mit e-TNS zeigte das RCT, dass e-TNS eine Verbesserung der Schmerzreduktion auf einer VAS-Skala (11 Punkte) nach 1/2/24 Stunden im Vergleich zur Placebo-Behandlung bewirkte. Es bleibt jedoch unklar, ob die gemessenen Verbesserungen auf der VAS-Skala von klinischer Bedeutung sind, da die Ergebnisse um das untere Ende der klinisch relevanten Nutzengrenzwerte schwanken. Zur Beurteilung der Sicherheit erfüllten sieben Studien die Einschlusskriterien. Diese umfassten dieselben zwei RCTs, und fünf prospektive Fallserien (drei zur Präventionsbehandlung mit insgesamt 84 Patientinnen und zwei zur Akutbehandlung mit insgesamt 95 Patientinnen). In keiner der inkludierten Studien traten schwerwiegende Nebenwirkungen auf. Am häufigsten kam es zu Hautirritationen nach der Anwendung des e-TNS-Geräts.
Insgesamt werden die Schlussfolgerungen der AutorInnen der Studienergebnisse über die Wirksamkeit und das positive Sicherheitsprofil des e-TNS-Geräts als überhöht angesehen. Einer der Hauptgründe dafür sind die kleinen Stichprobengrößen von-hochselektiven PatientInnen in den Studien, verglichen zur großen Krankheitslast, die Migräne in der Realität verursacht. Die Zielpopulation in den Studien waren nicht nur medikamentös-refraktäre PatientInnen, sondern auch auf Arzneimittel ansprechende PatientInnen, um zu untersuchen, in welchem Ausmaß e-TNS eine Verringerung der Medikamenteneinnahme mit sich bringt. In Zukunft werden größere kontrollierte Studien zur Präventions- und Akutbehandlung mittels e-TNS, mit Best-Practice-Interventionen als Komparatoren, erforderlich sein, um Cefaly® möglicherweise als Teil der Standardpraxis betrachten zu können. MS/ SW
LBI-HTA/ AT 2018: Externe Stimulation des Trigeminusnervs zur Prävention und Behandlung von episodischer und chronischer Migräne (Cefaly). https://eprints.aihta.at/1177/
rtCGM und FGM bestehen aus einem Sensor, einem wasserdichten Transmitter und einem Anzeigegerät. Der Transmitter wird am Oberarm befestigt und misst mittels einer kleinen Nadel, an dessen Ende sich der Sensor befindet, die Glukosewerte in der Flüssigkeit des umgebenden Fettgewebes zu jeder Tages- und Nachtzeit. Die so ermittelten Daten werden an ein Anzeigegerät (Receiver oder Smartphone-Gerät) übertragen. Ein wesentlicher Unterschied der beiden Produktarten ist die Messung der Glukosewerte – bei einem FGM erfolgt diese durch den/die PatientIn, der/die das Lesegerät über den Sensor halten muss, um die Werte drahtlos zu scannen (dies muss mind. alle 8 Stunden erfolgen, um ein 24h-Protokoll zu erhalten) während bei einem rtCGM dies alle wenigen Minuten automatisch durchgeführt wird.
Ein rezenter EUnetHTA Bericht hatte zum Ziel, die klinische Wirksamkeit und Sicherheit von rtCGM und FGM, zum eigenständigen Glukosemonitoring durch PatientInnen mit insulinbehandeltem DM (Typ 1 und Typ 2 bei Erwachsenen, Kindern, Schwangeren) im Vergleich zur Blutglukoseselbstmessung (BGSM) zu bewerten. Zur Bewertung der klinischen Wirksamkeit konnten 12 RCTs eingeschlossen werden (rtCGM und FGM vs BGSM). Zur Beurteilung der Sicherheit wurden zusätzlich 3 weitere nicht randomisierte kontrollierte Studien eingeschlossen. Eine direkte Vergleichsstudie (rtCGM vs. FGM) konnte ebenfalls identifiziert werden. Alle RCTs wiesen ein hohes Bias Risiko auf – u.a. aufgrund fehlender Verblindungen. Insgesamt kann die Qualität der Evidenz für die kritischen Endpunkte der klinischen Wirksamkeit und Sicherheit als sehr niedrig bis moderat eingestuft werden.
Im Großteil der Studien war rtCGM mit einer Reduktion von HbA1c assoziiert. rtCGM und FGM zeigten im Vergleich zu BGSM eine Reduktion von Unter- und Überzuckerung und eine verbesserte Zufriedenheit mit der Behandlung bei PatientInnen mit DM Typ 1 und 2. Es konnte kein RCT zur Anwendung in der Schwangerschaft identifiziert werden. Produktbezogene unerwünschte Ereignisse können auf die Verwendung des Sensors zurückgeführt werden und ähneln denen der BGSM (z.B. Schmerzen, Blutung). PatientInnen mit DM Typ 1 berichteten von sehr guten Erfahrungen mit rtCGM und FGM, da Glukosetrends ersichtlich sind und sofort reagiert werden kann. Weitere genannte Vorteile bezogen sich auf eine verbesserte Lebensqualität, Änderungen im Schlafverhalten und Unabhängigkeit. Betont wurde ebenfalls die Wichtigkeit einer Schulung und der Motivation. Eine ökonomische Bewertung wurde nicht durchgeführt.
Weitere direkte und unabhängige Vergleichsstudien, von hoher Qualität und mit Langzeitergebnissen, vor allem bei Kindern und Schwangeren, sind notwendig, insb. Vergleichsstudien mit unterschiedlichen Indikationsgruppen (z.B. schlechte Self-Monitoring Adhärenz, neu diagnostizierte PatientInnen, Zusatzinterventionen wie Training etc.) wurden auch im Bericht von NIPHNO zu FGM gefordert. In diesem Bericht wurde eine Kosten/Nutzen-Bewertung von lediglich einem Medizinprodukt, FreeStyle Libre®/Abbott (FGM), durchgeführt. Die AutorInnen kamen bezüglich der klinischen Wirksamkeit und der Sicherheit von FGM im Vergleich zu BGSM zu einem ähnlichen Ergebnis. SE
EUnetHTA (AAZ/ HR) 2018: Continuous glucose monitoring (CGM real-time) and flash glucose monitoring (FGM) as personal, standalone systems in patients with diabetes mellitus treated with insulin.
https://www.eunethta.eu/wp-content/uploads/2018/07/OTJA08_CGM-real-time-and-FGM-aspersonal2c-standalone-systems-in-patients-with-diabetes-mellitus-treatedwith-insulin.pdf
NIPHNO/ N 2017: FreeStyle Libre Flash Glucose Self-Monitoring System.
https://www.fhi.no/globalassets/dokumenterfiler/rapporter/freestyle-libre-flash-glucose-self-monitoring-system-a-single-technology-assessment-rapport-2017-v3.pdf
26. - 28. September 2018
2. Interdisziplinäres Dialogforum Mensch und Endlichkeit
Schloss Goldegg, Goldegg am See, Pongau / Österreich
3. – 5. Oktober 2018
Health Forum Gastein
„Health and Sustainable Development: Bold political choices for Agenda 2030
Bad Hofgastein
11.-12. Oktober 2018
ÖPPM/ Österr. Plattform für Personalisierte Medizin
„Joining Forces for Personalized Medicine“
Med Uni Graz
http://www.personalized-medicine.at/index_en.html
18.-19. Oktober 2018
Welt Bioethik Tag 2018
“Solidarität und Zusammenarbeit”
Med Uni Innsbruck
https://www.ierm.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/i_ethik_recht_medizin/Folder_WBD2018_5.pdf
Themen-Vorschau Oktober
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