Stellen Sie sich vor, Sie werden von Ihrer Hausärztin kontaktiert, weil bei Ihnen ein hohes Risiko für einen baldigen Spitalsaufenthalt festgestellt wurde. Das Risiko wurde aus unterschiedlichsten demographischen und sozioökonomischen Daten und Daten Ihrer bisherigen Nutzung von Gesundheitsleistungen ermittelt. Die Ärztin bespricht mit Ihnen, was Sie tun können, um den Spitalsaufenthalt möglichst zu verhindern. Was wie Science-Fiction klingt, ist bereits Realität. Unter dem Titel „RiskER“ wurde diese Risikoanalyse in der italienischen Region Emilia-Romagna an 16.000 BügerInnen pilotiert. Dieses Projekt ist nur eines aus einer Vielzahl bereits existierender Anwendungsbeispiele, wo unterschiedliche Daten verknüpft werden und unter dem Überbegriff künstliche Intelligenz permanent große Datenmengen für diagnostische und prädiktive Zwecke analysiert werden. Eine Literaturübersicht identifizierte drei bereits bestehende Anwendungsbereiche: (1) beim Risiko-Assessment für die Entstehung einer Erkrankung oder für die Vorhersage eines Behandlungserfolges vor Behandlungsbeginn (siehe obiges Beispiel), (2) beim Management von Komplikationen (z. B. Vorhersagen für diabetische Komplikationen), (3) bei der laufenden Betreuung von PatientInnen (z.B. Evaluation neurologischer Defizite nach Schlaganfall) (Becker 2019).
Künstliche Intelligenz wird von den BefürworterInnen als das neue Wundermittel verkauft, diverse Herausforderungen im Gesundheitswesen und in vielen weiteren gesellschaftlichen Bereichen (Bildung, öffentliche Verwaltung, Kriminalitätsbekämpfung etc.) zu meistern. Dass große Beträge an Risikokapital (u.a. von bekannten Unternehmen wie Google, Facebook, Alibaba) in die Forschung und in diverse Start-Ups gepumpt werden, sollte uns zumindest dahingehend alert machen, dass Unternehmen beim Thema künstliche Intelligenz offensichtlich hohe Gewinnchancen wittern. Ob wir mit den verkauften Produkten die tatsächlichen Probleme im Gesundheitssystem lösen, ist zu hinterfragen.
„For me it’s still an open question whether this field will be not just smart but also wise” meint Geoff Mulgan, Chief Excecutive von Nesta, der UK innovation foundation (Mulgan 2019). Was er beobachtet ist, dass die Entwickler der auf künstlicher Intelligenz basierten Analysetechnologien gerne mit der Lösung starten und dann nach einem Problem suchen, anstatt mit dem Problem zu beginnen. Welches Problem lösen wir etwa mit „Lexplore“ – einer Technologie, mit der die Analyse der Augenbewegung bei Kindern zur Diagnose von Legasthenie eingesetzt wird und die derzeit an schwedische Schulen verkauft wird – wenn es zu wenig kompetente Fachkräfte für die gezielte Förderung der betroffenen Kinder gibt?
Eine unserer zentralen Herausforderungen im Gesundheitswesen ist die mangelnde Umsetzung bestehenden Wissens zu vielen Präventions- oder Behandlungsansätzen in die Praxis und in das individuelle Verhalten. Worum es daher primär geht, ist eine Veränderung von Kulturen, Prozessen und Verhalten – bei KlinikerInnen, Pflegekräften und TherapeutInnen, bei den Entscheidungsträgern und bei uns selber als BürgerInnen (z.B. Lebensstil) oder PatientInnen (z.B. bessere Compliance bei Medikamentenverschreibung) – und die Veränderung der Rahmenbedingungen (Gesundheitsdeterminanten wie z.B. Einkommen, Bildung). Bessere Vorhersagen mit automatisierten Systemen sind hier kaum der Schlüssel zur Lösung. „Change processes will take place in hospitals and physician offices, not in Silicon Valley“ argumentieren hierzu E. Emanuel und R. Wachter (2019, S. 2281).
Ein Bericht der Bertelsmann-Stiftung fordert beim Thema künstliche Intelligenz nicht nur isoliert „die Technologie“ zu analysieren (z.B. hinsichtlich diagnostischer Genauigkeit), sondern vielmehr das damit verbundene automatisierte Entscheiden als Ganzes zu betrachten (wie wurde das System entwickelt, warum wird überhaupt eine automatisierte Entscheidung angestrebt, welche Daten werden dabei benutzt, welche Diskriminierungspotenziale bestehen etc.). Außerdem braucht es aktives Empowerment der BürgerInnen, damit diese selber ausreichend kompetent sind, die Technologien zu verstehen und kritisch zu bewerten, aber auch aktiven Aufbau von Expertise in den öffentlichen Verwaltungen, damit diese fähig sind, die angebotenen Systeme kritisch einzuordnen oder Datensysteme selber aufzubauen, jedenfalls den Umgang mit künstlicher Intelligenz aktiv zu gestalten anstatt nur passiv zu reagieren.
Viele ethische und rechtliche Fragen sind zu diskutieren: Wer ist etwa verantwortlich, wenn bei der Anwendung einer Technologie Fehlentscheidungen die Folge sind? Die ProgrammiererInnen, die Behandler, oder die PatientInnen selbst und ist überhaupt noch ausfindig zu machen, wo genau der Fehler liegt (z.B. bei Systemen, die auf „machine learning“ beruhen), wie kann Datenmissbrauch verhindert werden, etc.?
Nicht zuletzt ist den wenigsten Enthusiastinnen der künstlichen Intelligenz bewusst, welche CO2-Belastung wir mit dem Management der exponentiell ansteigenden Datenmengen und deren Analyse u.a. durch den enormen Energieverbrauch verursachen.
Dr. Ingrid Zechmeister-Koss, stellvertretende Institutsleiterin des LBI-HTA
Algorithm Watch, Bertelsmann Stiftung. 2019. Automating Society. Taking Stock of Automated Decision Making in the EU. Berlin: AW Algorithm Watch gGmbH. https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/001-148_AW_EU-ADMreport_2801_2.pdf
Becker A. 2019. Artificial intelligence in medicine: What is it doing for us today? Health Policy and Technology 8: 198-205.
Emanuel E. und Wachter R. 2019. Artificial Intelligence in Health Care. Will the Value Match the Hype? JAMA 321 (23): 2281-2282.
Jannes M et al. 2018. Algorithmen in der digitalen Gesundheitsversorgung. Eine interdisziplinäre Analyse. Gütersloh: Bertelsmann Stiftung.
Mulgan G. 2019. Intelligence as an outcome not an input. How can pioneers ensure AI leads to more intelligent outcomes? https://www.nesta.org.uk/blog/intelligence-outcome-not-input/?utm_source=Nesta+Weekly+Newsletter&utm_campaign=848de748ed-EMAIL_CAMPAIGN_2019_06_07_10_07&utm_medium=email&utm_term=0_d17364114d-848de748ed-181935481
Der Gelenksknorpel ist eine dünne Bindegewebsschicht. Eine Schädigung des Knorpels kann durch traumatische Ereignisse, eine Degeneration des Gelenks oder durch Osteochondritis dissecans entstehen. Bei der einzeitigen Matrix-basierten Behandlung (AMIC) von Knorpeldefekten wird nach einer durchgeführten Mikrofrakturierung im Bereich des geschädigten Knorpels eine Matrix implantiert. Die verwendete Matrix fungiert als temporäre Struktur, um das Keimen der Zellen und dadurch den Knorpelaufbau zu unterstützen. Im Vergleich dazu wird bei der zweizeitigen Matrix-unterstützten Behandlung (MACI) in einem ersten Schritt intakter Knorpel arthroskopisch aus einem nicht belasteten Bereich des betroffenen Knorpels entnommen und erst in einem zweiten Schritt in vitro auf einer Matrix kultiviert. Dieser Vorgang dauert solange bis genügend Zellen vorhanden sind, um anschließend in den geschädigten Knorpel reimplantiert werden zu können.
In Bezug auf den einzeitigen Matrix-unterstützten Knorpelersatz (AMIC) im Kniegelenk erfüllten fünf randomisierte kontrollierte Studien und eine nicht randomisierte kontrollierte Studie mit insgesamt 187 PatientInnen die Einschlusskriterien. Im Vergleich zur Mikrofrakturierung konnte für das einzeitige Verfahren eine Verbesserung der Lebensqualität festgestellt werden, wohingegen die Verbesserungen der Schmerzen in beiden Studiengruppen gleich einzuschätzen waren. In Bezug auf die Mobilität wurden inkonsistente Ergebnisse berichtet. In allen Studien wurden Komplikationen berichtet, darunter schwerwiegende unerwünschte Ereignisse, eingriffsbezogene und implantatsbezogene Komplikationen.
Hinsichtlich des zweizeitigen Matrix-unterstützten Knorpelersatzes (MACI) im Kniegelenk erfüllten sechs randomisierte kontrollierte Studien die Einschlusskriterien (330 PatientInnen für die Wirksamkeitsanalyse und 346 PatientInnen für die Sicherheitsanalyse). Im Vergleich zur Mikrofrakturierung resultierte das zweizeitige Matrix-unterstützte Verfahren in Verbesserungen der Gelenkfunktionalität, der Lebensqualität und der Schmerzen, während im Vergleich zur autologen Chondrozytenimplantation keine signifikanten Unterschiede zwischen den Studiengruppen hinsichtlich der Gelenkfunktionalität und der Schmerzen berichtet wurden. Komplikationen, darunter schwerwiegende unerwünschte Ereignisse, eingriffsbezogene bzw. implantatsbezogene Komplikationen und Re-Operationsraten, wurden sowohl im Vergleich zur Mikrofrakturierung als auch zur autologen Chondrozytenimplantation berichtet.
Aufgrund der inkonsistenten Ergebnisberichterstattung der Knorpelreparatur im Kniegelenk zeigten die eingeschlossenen Studien eine teilweise niedrige Qualität der Evidenz und ein hohes Verzerrungspotenzial. Daher kann für beide Interventionen keine verlässliche Aussage hinsichtlich der klinischen Wirksamkeit und Sicherheit getroffen werden. Für das Sprunggelenk konnten keine kontrollierten Studien identifiziert werden. Neue Studienergebnisse, insbesondere aus Studien mit einer höheren Anzahl an PatientInnen und längeren Nachbeobachtungszeiträumen (z. B. zehn Jahren), könnten die Effektschätzung der beiden Interventionen erheblich beeinflussen. Aktuell gibt es laufende randomisierte kontrollierte Studien, deren Ergebnisse für eine mögliche verlässlichere Aussage abzuwarten sind. SW/KR
LBI-HTA/AT 2019: Single-/two-step scaffold-based cartilage repair in the knee and ankle joint. Decision Support Document No. 98/1. Update 2019. https://eprints.aihta.at/1201
Eine Transplantation von osteochondralen Allografts (OCA) ist eine Technik für die Reparatur von osteochondralen Defekten. Defekte in Gelenksknorpeln und subchondralen Knochen können durch Traumata, Krebs oder andere Arthropathien verursacht werden. Osteochondrale Defekte erhöhen die Reibung in den Gelenken, was zu Entzündungen, Schwellungen, Schmerzen und Steifheit führen kann. In einem ersten Schritt wird den PatientInnen ein Kern des verletzten Knorpels und des darunterliegenden Knochens entfernt. Anschließend wird die freie Knorpelstelle mit einem passgenauen Spendertransplantat aus reifem, humanem Hyalinknorpel und subchondralem Knochen gefüllt.
Eine randomisierte kontrollierte Studie (40 PatientInnen) wurde für die Wirksamkeitsanalyse identifiziert, in der OCA zur Behandlung von Defekten im Sprunggelenk untersucht wurde. Darüber hinaus konnten eine Fallserie zu Defekten im Sprunggelenk (16 PatientInnen) und vier Fallserien zu Defekten im Kniegelenk (165 PatientInnen) zusätzlich für die Analyse der Sicherheit eingeschlossen werden. Für weitere Gelenke konnte keine relevante Evidenz identifiziert werden. Die kontrollierte Studie für das Sprunggelenk wies ähnliche Wirksamkeitsergebnisse hinsichtlich der entscheidungsrelevanten Endpunkte (z.B. Schmerzen, Lebensqualität, Funktionalität) für die OCA im Vergleich zur autologen Transplantation auf. Hinsichtlich der Ergebnisse zum Kniegelenk scheint OCA eine Wirkung auf die Endpunkte Schmerzen, Funktionalität und Lebensqualität zu haben. Allerdings basieren die Daten auf kleinen Fallzahlen und prospektiven Fallserien und sollten daher mit Vorsicht interpretiert werden. In Bezug auf die Sicherheitsergebnisse traten in allen eingeschlossenen Studien hohe Versagensraten der Transplantate sowie hohe Re-Operationsraten bzw. Revisionen auf – ein umfassendes Sicherheitsprofil von OCA ist somit fraglich.
Neue Studienergebnisse würden möglicherweise die Wirkungsanalyse erheblich beeinflussen, jedoch scheint es aktuell keine laufenden randomisierten kontrollierten Studien zu geben, die in naher Zukunft relevante Daten liefern werden. Deshalb kann auf Basis der verfügbaren Evidenz und in Ermangelung an adäquaten laufenden Studien, die Aufnahme in den Erstattungskatalog nicht empfohlen werden.KR
LBI-HTA / AT 2019: Osteochondral allograft transplantation for the knee (or other joints). Decision Support Document No. 115. https://eprints.aihta.at/1204
Bei etwa 10% der PatientInnen mit Bandscheibenvorfall stellt ein operativer Eingriff (Diskektomie) eine Behandlungsoption dar, die zu einer raschen Symptomlinderung führen kann. Als Folge der Diskektomie kann es jedoch zu einem Defekt im Anulus-fibrosus kommen, welcher mit einem erhöhten Risiko für das Wiederauftreten von Bandscheibenvorfällen und damit verbundenen notwendigen Re-Operationen einhergehen kann. Ein Verschluss dieses Anulus-Defekts soll dieses Risiko vermindern. Dazu steht derzeit ein CE-zertifiziertes Produkt – das Barricaid® Implantat - zur Verfügung. Es besteht aus einem polymeren Kunststoffgewebe, das den Anulus-Defekt mechanisch blockieren soll sowie aus einem damit verbundenen Titan-Anker, mit dem das Implantat im angrenzenden Wirbelkörper fixiert wird. Beim Xclose™ System wird der Anulus-Defekt mittels Spannbänder, die mit T-Ankern im Gewebe fixiert werden, geschlossen. Dieses System ist jedoch, nach Schließung der Herstellerfirma im Jahr 2014, nicht mehr am Markt erhältlich.
Für dieses erste Update eines 2013 erstellten systematischen Reviews konnten zwei randomisierte kontrollierte Studien (RCT) mit 554 bzw. 750 StudienteilnehmerInnen sowie eine unkontrollierte Beobachtungsstudie mit 30 PatientInnen zusätzlich zu jener bereits im Assessment 2013 inkludierten Beobachtungsstudie (45 PatientInnen) identifiziert werden. Das mittlere Follow-up der Studien lag bei jeweils 2 Jahren. Ein RCT sowie die beiden unkontrollierten Studien untersuchten das Barricaid® Implantat, der zweite RCT das Xclose™ System. Die beiden RCTs zeigten keinen signifikanten Unterschied zwischen Diskektomie mit Verschluss des Anulus-Defekts im Vergleich zu Diskektomie ohne einen Verschluss in Bezug auf Bein- und Kreuzschmerzen, Bewegungseinschränkung und Lebensqualität. Symptomatische Bandscheiben-Rezidive traten sowohl im RCT und in den unkontrollierten Studien zum Barricaid® Implantat als auch im RCT zum Xclose™ System im Zeitraum von 2 Jahren signifikant seltener auf. Jedoch kam es beim Barricaid® Implantat bei rund 13% der PatientInnen zu Problemen mit der Produkt Integrität, wie Ablösungen des Polymergewebes, Brüche des Titan-Ankers und/oder Wanderung des Implantats. Auch zeigten sich doppelt so häufig radiologisch bestätigte Veränderungen an den Wirbelkörperendplatten. Für das Xclose™ System lagen nur unzureichende Daten zu Sicherheitsparametern vor.
Um eine verlässliche Beurteilung der Wirksamkeit und Sicherheit des Verschlusses eines Anulus-fibrosus-Defekts nach Diskektomie vornehmen zu können, sind die 10-Jahres Ergebnisse aus einer von der FDA geforderten Post-Approval Study zum Barricaid® Implantat abzuwarten. TS
LBI-HTA/AT 2019: Verschluss eines Anulus-fibrosus-Defekts nach Diskektomie. Decision Support Document Nr. 65/1. Update 2019. https://eprints.aihta.at/1200
Die Rotatorenmanschette besteht aus mehreren Muskeln mit Sehnen, die die Schulter stabilisieren. Wenn eine oder mehrere der Sehnen entweder aufgrund eines Traumas oder einer normalen Abnutzung reißen, leiden PatientInnen unter Schmerzen und einem eingeschränkten Bewegungsumfang des Arms. Ein solcher Sehnenriss kann durch eine Operation repariert werden. Bei der genannten Operationsmethode wird die menschliche Haut als Transplantat verwendet und als Muskel-Knochen-Übergang eingebaut. Bei etwa 30% der operierten Personen können jedoch postoperativ erneute schwere irreparable Sehnenrisse entstehen.
Zur Beurteilung der Wirksamkeit konnten eine randomisierte kontrollierte Studie und zwei nicht-randomisierte kontrollierte Studien sowie sieben Einzelarm-Studien für die Sicherheitsanalyse mit 277 PatientInnen eingeschlossen werden. Die kontrollierten Studien zeigten eine teilweise signifikante Verbesserung in Bezug auf Schmerzen, Bewegungsumfang, körperliche Funktionalität und Lebensqualität für die Gruppe, bei deren Operation das humane Hauttransplantat verwendet wurde. In keiner der zehn eingeschlossenen Studien wurden eingriffsbedingte Mortalitätsfälle oder schwerwiegende Nebenwirkungen berichtet. Bei 22 von 144 PatientInnen traten unerwünschte Ereignisse auf, darunter erneute Sehnenrisse nach dem Eingriff, Zellulitis oder nachfolgende Schulterverletzungen. Insgesamt wurde die Qualität der Evidenz als moderat eingestuft.
Es sind Ergebnisse laufender randomisierter kontrollierter Studien abzuwarten, um konkretere Aussagen bzgl. der Reparatur von irreparablen Sehnenrissen der Rotatorenmanschette mithilfe eines allogenen, humanen Hauttransplantats treffen zu können. SW
LBI-HTA/AT 2019: Human dermal allograft for massive rotator cuff tears. Decision Support Document No. 117. https://eprints.aihta.at//1206
Aufbauend auf den ersten LBI-HTA Bericht 2016 wurde in dieser aktuellen systematischen Übersichtsarbeit die klinische Wirksamkeit und Sicherheit der Radiofrequenzdenervierung zur Behandlung von chronischen Schmerzen im Bereich der Hals- als auch der Lendenwirbelsäule untersucht. Dazu wurden zwei randomisierte Kontrollstudien zur Bewertung der Intervention im Nackenbereich sowie insgesamt sechs Studien (fünf randomisierte und eine nicht-randomisierte Kontrollstudie) für die Evaluation der Intervention im Bereich der Lendenwirbelsäule herangezogen.
Die Auswertung der Studien für den Einsatz von RFD im Nackenbereich ergab keinen Unterschied zwischen RFD-behandelten PatientInnen und PatientInnen der jeweiligen Kontrollgruppen in den untersuchten Endpunkten (Schmerzintensität, funktionalem Status (Beweglichkeit), globale Verbesserung, Lebensqualität, Arbeitsfähigkeit, Erfolg und Zufriedenheit (mit) der Behandlung). Nur eine von zwei Studien berichtete über unerwünschte Wirkungen, wobei davon häufiger RFD-behandelte PatientInnen als PatientInnen der Kontrollgruppe betroffen waren.
Die Evaluation im Bereich der Lendenwirbelsäule ergab eine moderate bis niedrige Evidenz für Verbesserungen aufgrund der Intervention im Vergleich zu alternativen Behandlungsmethoden oder Plazebo. Dabei zeigte sich vor allem eine Reduktion der Schmerzintensität als auch eine Erhöhung in der Funktionalität (Beweglichkeit) im Beobachtungszeitraum zwischen 6 und 36 Monaten nach erfolgter Intervention. Gleichzeitig berichteten jedoch mehr RFD-behandelte Patientinnen als PatientInnen der jeweiligen Kontrollgruppen von unerwünschten Wirkungen. Zusammenfassend war die Evidenz allerdings nicht ausreichend, um zu belegen, dass RFD im Vergleich zu alternativen Therapien oder Plazebo eine wirksamere bzw. sichere Methode darstellt.
Im Unterschied zur systematischen Übersichtsarbeit von 2016 wurden im aktuellen Bericht Studien zur RFD bei chronischen Schmerzen im Iliosakralbereich nicht mehr berücksichtigt. Im Gegensatz dazu wurden sowohl Studien, welche RFD zur Behandlung eines Facettengelenkssyndroms im Bereich der Halswirbelsäule anwendeten, als auch Studien, welche RFD bei vorliegender Osteoporose untersuchten, miteingeschlossen. Obwohl derzeit keine Resultate zur Wirksamkeit und Sicherheit von RFD bei chronischen Schmerzen aufgrund von Osteoporose vorliegen, wird eine Re-Evaluation für 2023 vorgeschlagen, da laufende Studien möglicherweise neue Ergebnisse liefern. EF
LBI-HTA/AT 2019: Radiofrequency denervation for lumbarand cervical facet joint pain. Decision Support Document 99/ 1. Update 2019. https://eprints.aihta.at/1202
In den meisten Fällen verläuft das Wachstum von Prostatakrebs langsam und unauffällig, ohne dass er jedoch erkannt wird. Wenn der PC allerdings bis zu einem Stadium wächst, in dem Symptome wie Blasenhalsobstruktion, die Ausbreitung der Krebszellen vom Primärtumor zu angrenzenden Organen, oder Fernmetastasen auftreten, dann ist eine kurative Behandlung meistens nicht mehr durchführbar. Obwohl 80-90 % der Patienten auf eine Antiandrogentherapie ansprechen, entwickeln bis auf wenige Ausnahmen ein metastasiertes kastrationsresistentes Prostatakarzinom (mCRPC). Da bei einem Großteil der Patienten (mehr als 90 %) das PSMA um das 1.000-fache erhöht ist, ist das Ziel einer Radionuklidtherapie eine Reduktion des prostataspezifischen Membranantigens des PC und der Metastasen. PSMA wird dabei an der Oberfläche von PC-Tumorzellen exprimiert und dient als molekulares Target der 177Lu-PSMA-Therapie.
Die Kennzeichnung von PSMA durch 177Lu kann in unterschiedlichen Varianten mit verschiedenen PSMA-Peptiden und -Antikörpern durchgeführt werden. In den eingeschlossen Studien dieser systematischen Übersichtsarbeit wurden drei Ansätze chemischer Konjugation eingesetzt: 177Lu-PSMA-DKFZ-617, 177Lu-PSMA-I&T, und 177Lu-PSMA-617. Allerdings erfüllte keine der identifizierten Studien die Einschlusskriterien für eine Bewertung der klinischen Wirksamkeit von 177Lu-PSMA. Die Evidenzstärke für die klinische Wirksamkeit kann derzeit nicht beurteilt werden, da keine kontrollierten Studien vorliegen.
Hinsichtlich der Sicherheit wurden in diesem Bericht prospektive Beobachtungsstudien eingeschlossen. Dabei konnten fünf prospektive Vorher-Nachher-Studien mit insgesamt 141 Patienten (Daten wurden nur für 116 berichtet) identifiziert werden. Ohne kontrollierte Studien kann zwar kein Vergleich zwischen 177Lu-PSMA und den Komparatoren angestellt werden, jedoch können mögliche Komplikationen aufgrund der Intervention identifiziert werden. Die Qualität der Evidenz hinsichtlich der Sicherheit von 177Lu-PSMA wurde als niedrig bis sehr niedrig eingestuft, weswegen es derzeit nicht möglich ist, eine Einschätzung hinsichtlich des Sicherheitsprofils von 177Lu-PSMA abzugeben.
Die aktuelle Evidenz zu 177Lu-PSMA ist nicht hinreichend, um die Wirksamkeit und Sicherheit von 177Lu-PSMA zu belegen. Derzeit laufen jedoch zwei kontrollierte randomisierte Studien, deren Ergebnisse in einer Re-Evaluation im Jahr 2021 berücksichtig werden sollen. CS
LBI-HTA/AT 2019: 177Lu-PSMA Therapy in Patients with Metastatic Castration-Resistant Prostate Cancer. Decision Support Document No. 118. https://eprints.aihta.at/1207/
Kreuzbandrisse können entweder konservativ oder operativ behandelt werden. Bei letzterer Behandlungsmodalität wird vor allem autogenes Material – also entnommene Sehnen vom eigenen Körper – für die Kreuzbandrekonstruktion verwendet. Neben diesem Material kann ebenfalls allogenes, also natürliches rekonstruktives Material von menschlichen Spendern, zum Einsatz kommen.
Ziel der systematischen Übersichtsarbeit war es, die derzeitige Evidenz der allogenen Bandersätze bei KBR zu überprüfen. Dabei wurde eine systematische Übersichtsarbeit zur vergleichenden Wirksamkeit und Sicherheit der allogenen Bandersätze im Vergleich zu autogenen Bandersätzen und zur konservativen Therapie erstellt, die die Überlegenheit/Unterlegenheit bei fünf Indikationen (Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes, Rekonstruktion des hinteren Kreuzbandes, Revisionsrekonstruktion des vorderen Kreuzbandes, Revisionsrekonstruktion des hinteren Kreuzbandes, Rekonstruktion des vorderen/hinteren Kreuzbandes bei multi-ligamentären Knieverletzungen) überprüft.
Es wurde Evidenz zur vergleichenden Wirksamkeit und Sicherheit allogener KBR im Vergleich zu autogener KBR zu drei der fünf Indikationen gefunden. Die Evidenzstärke war jedoch sehr niedrig bis niedrig. Insgesamt wurden acht randomisierte kontrollierte Studien und eine vergleichende Kohortenstudie identifiziert, die die Einschlusskriterien für die Evidenzsynthese erfüllten. Die verfügbare Evidenz legt nahe, dass die Verwendung von allogenem Material bei Rekonstruktionen des vorderen Kreuzbandes hinsichtlich ihrer Wirksamkeit vergleichbar sein könnte. Die Evidenz zur Sicherheit weist hierbei jedoch auf eine Unterlegenheit in Bezug auf Transplantatversagen hin. Bei Rekonstruktionen des hinteren Kreuzbandes weist die Evidenz auf eine vergleichbare Wirksamkeit hin, wobei die Evidenz zur Evaluierung der vergleichenden Sicherheit hierbei unzureichend ist. Für die verbleibenden zwei Indikationen sowie für den Vergleich zwischen allogenen Transplantaten und dem konservativen Management wurde keine Evidenz gefunden.
Es ist ausreichend darauf hinzuweisen, dass gut designte randomisierte Kontrollstudien mit hoher Qualität zukünftig essentiell sind, um Vor- bzw. Nachteile der allogenen Bandersätze bei spezifischen Indikationen weiter eruieren zu können. GG
LBI-HTA/AT 2019: Allograft for anterior and posterior cruciate ligament reconstruction. Decision Support Document 116. https://eprints.aihta.at/1205/
Im Zuge der Aktualisierungsrecherche konnten keine weiteren abgeschlossenen und publizierten RCTs für die Beurteilung der Wirksamkeit identifiziert werden. Für die Beurteilung der Sicherheit wurden 5 rezente einarmige, prospektive Studien und eine Registerstudie eingeschlossen. Schwere unerwünschte produktbezogene Ereignisse, die eine chirurgische Repositionierung oder Austausch des Neurostimulators erforderten, traten bei 2-6 % der PatientInnen auf. Todesfälle wurden in den Studien keine berichtet. Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse traten in einer Studie bei 11 % bzw. 13 % auf. Unerwünschte Ereignisse, wie Schmerzhaftigkeit, Läsionen und vorübergehende eingeschränkte Beweglichkeit der Zunge, sowie Unbehagen aufgrund der elektrischen Stimulation wurden häufig berichtet.
Die obstruktive Schlafapnoe ist eine schlafbezogene Atmungsstörung, die durch einen Kollaps der Rachenmuskulatur ausgelöst wird. Derzeitige Standardtherapie bei mittelschwerer bis schwerer OSA ist die CPAP-Beatmung (kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck), die jedoch wegen der notwendigen Nasenmaske in ihrer Wirksamkeit aufgrund mangelnder Compliance limitiert ist. Der neue Therapieansatz basiert auf der elektrischen Stimulation des Nervus hypoglossus während des Schlafes, da dieser den wesentlichen Atemwegsöffner, den Musculus genioglossus, innerviert. Auf diesem Weg soll die insuffiziente Tonisierung der am Offenhalten der Atemwege beteiligten Muskulatur während des Schlafes durch ein implantierbares System wiederhergestellt werden. Es sind derzeit drei CE-zertifizierte Systeme verfügbar.
Auf Basis der neu identifizierten Studien, ist die Stärke der Evidenz für die Effektivität und Sicherheit der Stimulation des N. hypoglossus im Vergleich zu keiner Behandlung insgesamt als sehr niedrig einzuschätzen. Die Aufnahme in den Leistungskatalog wird derzeit nicht empfohlen. Eine Re-Evaluierung wird für das Jahr 2021 vorgeschlagen, wenn davon ausgegangen werden kann, dass Ergebnisse von neuen prospektiven kontrollierten Studien vorliegen werden. IR
LBI-HTA/AT 2019: Implantation eines Systems zur Stimulation des Nervus hypoglossus bei obstruktiver Schlafapnoe. Decision Support Document Nr. 100/1. Update 2019. https://eprints.aihta.at/1203/
2. bis 4. Oktober 2019
European Health Forum Gastein
“A healthy dose of disruption? Transformative change for health and societal well-being”
Bad Hofgastein
18. und 19. 11 2019
13th European Health Fraud & Corruption Network (EHFCN) Int. Conference
Berlin
http://www.ehfcn.org/13th-ehfcn-conference-in-berlin-germany/
20. bis 23. 11.2019
12th European Public Health Conference
Building bridges for solidarity and public health
Marseille
16.01.2020
6. EUFEP- Kongress
(Un)seriöse Gesundheitsinformationen: erkennen, verstehen, entscheiden
Burg Perchtoldsdorf
Impressum
Redaktion: Claudia Wild/ CW, Ozren Sehic/OS
CS: Christoph Strohmaier
EF: Eva Fuchs
GG: Gregor Götz
IR: Inanna Reinsperger
KR: Katharina Rosian
SW: Sarah Wolf
TS: Thomas Semlitsch